Jede Generation musste dabei ihren Platz als Großhändler in der Heimatstadt Dortmund und der weiteren Region laufend überprüfen, konnte aber vom Namen und stets auch von der Motivation einer eingespielten Mitarbeiterschaft profitieren. Die Generationswechsel verliefen nicht immer reibungslos, nicht jeder Sohn präsentierte sich sogleich als geborener Kaufmann – wollte ursprünglich vielleicht auch etwas Anderes machen. Auch war das geschäftliche Vater-Sohn-Verhältnis im laufenden Wandel gewiss nie spannungsfrei. Allen Nachfolgern war jedoch bewusst, dass sie mit dem Eintritt in das Familienunternehmen nicht in ein warmes Nest gefallen waren und dass sie und nur sie alleine sich den ungewissen Anforderungen im Zeitablauf mit vollem Einsatz würden stellen müssen. Zuletzt wurde das aufwendige und zukunftsträchtige Geschäft mit Öl- und Chemikalienbindern aus der Traditionsfirma in die neu gegründete KÖSTER & BÖMCKE Service GmbH ausgegliedert, um der nachfolgenden fünften Generation ein eigenes chemikalienunabhängiges unternehmerisches Wirkungsfeld zu geben.
Auch in unserer Familie gilt der Leitsatz: „Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können.“ Er stammt aus Thomas Manns Roman „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ von 1901, und ist das moralisch-sittliche Vermächtnis des Großvaters, der im 18. Jahrhundert mit der Aufnahme des Getreidehandels das Familienunternehmen Buddenbrook begründet hatte. Dieser Ehrenkodex ist in der Buddenbrooksschen Familienchronik, ein dickes Buch mit Goldschnitt, festgeschrieben. In diesem Sinne wird auch bei uns seit dem Eintritt meines Großvaters das Buch von Generation zu Generation wie ein Staffelstab weitergereicht.
In dem vorliegenden Band „140 Jahre KÖSTER & BÖMCKE“ soll neben Firmengeschichte im engeren Sinne auch das soziale, wirtschaftliche und politische Umfeld dargestellt werden, um dem geschichtlich Interessierten zugleich eine Übersicht über das Geschehen in der heimatlichen Region zu geben. Viele, das Sortiment von KÖSTER & BÖMCKE prägende Kunden stiegen auf und verschwanden, oft fanden deren Gründer keine Nachfolger, oft war deren Produktportofolio nicht zukunftsweisend, so dass sie wieder aufgeben mußten, oft gingen traditionelle Firmen in überregionalen auf, so dass dem örtlichen Anbieter keine Möglichkeit mehr zur Einlieferung blieb. Marktorientierung und die Bereitschaft auf Kunden direkt zuzugehen, um ihre Dienstleitungen und Produkte anzubieten, gaben der Firma KÖSTER & BÖMCKE über 140 Jahre den Atem um die geschilderten Herausforderungen bestehen zu können. Und so wird es bleiben. Fortentwickelte strengere Bestimmungen im Lager- und Logistikbereich und damit verbunden aufwendige behördliche Auflagen setzen der Entwicklung eines Chemikaliengroßhandels allerdings enge Grenzen. Neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer widmeten sich die Inhaber auch den Aufgaben ihrer berufsständischen Organisationen, waren im Ehrenamt Arbeits- oder Handelsrichter, oder wirkten in Dortmund in verschiedenen kulturellen Einrichtungen mit. Auch diesem „Nebenberuf“ eines tätigen Kaufmanns wird in dem vorliegenden Buch Aufmerksamkeit geschenkt.
Mein Dank gilt Dr. Wingolf Lehnemann, dem Leiter Museums der Stadt Lünen, der die Ursprünge der Familie Köster in Lünen nachzeichnete, und Dr. Karl-Peter Ellerbrock, dem Direktor der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv in Dortmund. Er hat auf der Basis der firmengeschichtlichen Überlieferung von KÖSTER & BÖMCKE, die an das Westfälische Wirtschaftsarchiv abgegeben wurde, eine Unternehmensgeschichte verfasst, die 140 Jahre KÖSTER & BÖMCKE auch in die regionale Wirtschaftsgeschichte Dortmunds einbettet, das sich von einer schnell wachsenden Ackerbürgerstadt zu einer Chancen gebenden Industriestadt mit Weltniveau entwickelt hat und sich heute nach einem bemerkenswerten Strukturwandel als Universitäts- und Dienstleistungsstadt neu definieren muss.
Omnia vestra in charitate fiant.
Wolf-Dietrich Köster, im Herbst 2013